Warum der Hinweis auf die Polizei wirkt

Teilnehmer sind immer wieder überrascht, warum es in kniffligen Situationen hilfreich sein soll, auf die Polizei hinzuweisen. Also zu sagen: „Wenn Sie jetzt nicht gehen, werde ich die Polizei einschalten.“ Oder in einem anderen Fall: „Ich fühle mich von Ihnen bedroht und werde die Polizei darüber informieren.

Neulich hat mir ein Klient folgenden Satz geschrieben, den ich so super fand, dass ich ihn hier mit seinem Einverständnis veröffentlichen darf:

„Oft würde ich gerne einfach nur völlig hemmungslos ausflippen, aber ich hab weder Lust auf Geldstrafen noch auf Gefängnis. Ich find den Gedanken ans Eingesperrt sein so schlimm, dass ich zwar in Gedanken oft den Leuten den Hals umdrehe, aber es in meinem ganzen Leben nicht mal annähernd versucht habe. Knast ist echt übel, auf engstem Raum eingesperrt sein, dann wird man ständig fertig gemacht und wenns ganz blöd läuft auch noch vergewaltigt. Ich weiß zu 1 000 000%, dass ich nie jemandem etwas tun würde.“

Auch wenn wir das Bild vom eiskalten Psychopathen aus dem Fernsehen im Kopf haben, wenn Menschen aggressiv werden oder wir sie als bedrohlich empfinden, so entspricht das nicht der Realität. Stattdessen kann man auch gewaltbereite Kunden beeinflussen, indem man ihnen die Konsequenzen ihres Verhaltens aufzeigt. Der Hinweis auf die Polizei und damit auf die Möglichkeit, mit dem Rechtssystem in Kontakt zu kommen, bringt dann doch viele wieder zur Vernunft. Eben genau, weil sie die gleiche oder eine ähnliche Phantasie wie im Zitat oben im Kopf haben oder möglicherweise bereits die unangenehme Bekanntschaft mit diesem System gemacht haben. Die Anzahl der Menschen, denen diese Begegnung tatsächlich gleichgültig ist, darf man sich guten Gewissens als verschwindend gering vorstellen.

Also wehren Sie sich, wenn nötig, verbal mit dieser Gegendrohung. Sie haben gute Chancen, wenn auch keine Garantie, dass Sie so für Ihre Sicherheit sorgen können.

Vier Seiten einer Nachricht: Blöde Kuh

Ob „Blöde Kuh“ oder „Nazi“ oder „Arsch“, Mitarbeiter in deutschen Behörden müssen sich eine Menge anhören. Hier die Satzanlyse dazu und ein Antwortvorschlag.

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Will man mit der Strategie Vom Gefühl zur Sache antworten, könnte sich das folgendermaßen anhören:

„Ich sehe, dass Sie verärgert sind, das ist jedoch kein Grund mich zu beleidigen. Bitte entschuldigen Sie sich, dann können wir unser Gespräch fortsetzen.“

oder

„Ich kann nachvollziehen, dass Sie sauer sind, weil ich Ihrem Wunsch nicht entsprechen kann. Ich erkläre Ihnen gerne nochmal, wie es zu dieser Entscheidung kam.“

oder

„Ich kann nachvollziehen, dass Sie verärgert sind.“ Dann schweigen und abwarten, wie Ihr Gegenüber reagiert.

Bestimmt fallen Ihnen auch noch ein oder zwei Varianten ein, wie Sie auf eine Beleidigung reagieren können.

Vom Gefühl zur Sache

Basierend auf dem Kommunikationsmodell von Schulz von Thun „Vier Seiten einer Nachricht“, schlagen wir als hilfreiche Gesprächsführungs-Strategie „Vom Gefühl zur Sache“ vor. Vom Gefühl zur Sache hat sich in vielen schwierigen Gesprächen bewährt.

Der Name sagt, was Sie tun können. Die Gefühlsebene ansprechen und aussprechen und dann zurück auf die Sachebene kommen, wo Sie ihr Anliegen und das Anliegen Ihres Kunden bearbeiten wollen.

Grundsätzlich läßt sich das Anliegen des Kunden von Ihrer Seite nur sachlich klären. Es geht um Genehmigungen, Bescheide, Geld, Bußgelder, Erlaubnisse oder den Entzug dergleichen, z.B. den Entzug der Fahrerlaubnis. Je nach dem, wo Sie arbeiten, vertreten Sie die Kommune oder den Staat und seine Gesetze. Auch wenn Sie einen Spielraum in Ihren Entscheidungen haben, so fällen Sie diese nicht willkürlich, sondern können Ihre Entscheidung begründen.

Ihr Kunde auf der anderen Seite, hat ein Anliegen, das mehr oder weniger existentiell ist. Je existentieller das Thema für den Kunden ist, desto emotionaler wird er werden, wenn er nicht bekommt, was er möchte.

Da Menschen neben anderen Grundbedürfnissen das Bedürfnis haben, gesehen und wertgeschätzt zu werden, kann man dieses Bedürfnis befriedigen, indem man dem Kunden sagt, dass man ihn sieht. Das geht am einfachsten, indem man ihm rückmeldet, dass man seine emotionale Lage wahrgenommen hat. Und das wiederum entspricht nicht der Erwartung, die Ihre Kunden an deutsche Behörden haben.

Das bedeutet, wenn Sie diese Strategie verwenden, durchbrechen Sie die Erwartung Ihres Kunden, was dazu führt, dass der sich neu orientieren muss. Das kann eine hitzige Situation lang genug unterbrechen, um ihr eine andere Wendung zu geben. Der zweite Aspekt ist, dass Ihr Kunde sich wahrgenommen fühlen wird, was in den meisten Fällen zu einer Ent-Spannung der Situation führt.

Eine Vom Gefühl zur Sache-Formulierung sieht folgendermaßen aus:

Ich kann nachvollziehen, dass Sie verärgert sind (Vom Gefühl). Lassen Sie uns gemeinsam schauen, ob es eine gute Lösung gibt (zur Sache).

Ich habe den Eindruck, dass Sie sich ungerecht behandelt fühlen (Vom Gefühl), ich kann Ihnen versichern, dass wir an das Gesetz gebunden sind. Alle werden gleich behandelt (zur Sache).

Ich habe den Eindruck, dass Sie sich ungerecht behandelt fühlen (Vom Gefühl). Ich erkläre Ihnen gerne nochmal, was die rechtliche Grundlage für diese Entscheidung ist (zur Sache).

Probieren Sie es aus!
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